In einer aktuellen Studie gaben mehr als 70% der befragten Schichtarbeiter an, an Schlafproblemen zu leiden. Wie man die Schlafqualität wieder verbessern kann erklärt Dr. Brigitte Holzinger, Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung, Schlafcoach und Vorstandsmitglied der Austrian Sleep Research Association (ASRA).

Schichtarbeiter leiden vermehrt unter Schlafproblemen. Worin sehen Sie die Hauptursachen?

Wenn jemand beim Schicht- oder Wechseldienst in der Nacht arbeiten muss, dann lebt er gegen seine innere Uhr. Und gegen diese innere Uhr zu leben ist für den Körper sehr anstrengend und wird mit steigendem Alter auch immer schwieriger. Als Schichtarbeiter ist man zudem meist hohen Leistungsanforderungen und wenig Freizeit ausgesetzt. Verlorene Schlafzeit zu kompensieren wird mit der Zeit unmöglicher.

Was sind die Folgen?

Viele fühlen sich nach dem Schlafen nicht fit und verspüren eine Tagesmüdigkeit. Die Leistung ist vermindert und es fällt schwerer aufmerksam zu sein. Man sagt, die innere Uhr ist „verschoben“, weil ungenügender Schlaf mehrere Systeme im Körper negativ beeinflusst. Schichtarbeiter haben dadurch ein erhöhtes Risiko, krank zu werden. Auch die Unfallgefahr steigt – Stichwort Sekundenschlaf aufgrund von Übermüdung.

Langfristig wirkt sich das vermutlich auf die ganze Gesundheit aus?

Wir sehen in Studien, dass Arbeiter im Schichtdienst häufiger Krankheiten im Magen-Darm- und Herz-Kreislauf-Bereich entwickeln, öfter an Diabetes und auch an Krebs erkranken. Folgen sind aber auch Übergewicht und auch die Scheidungsrate unter Schichtarbeitern ist deutlich höher.

Sie haben in Workshops mit Schichtarbeitern versucht, deren Schlafprobleme zu erforschen und zu reduzieren. Wie gehen Sie da vor?

Unsere Coachings dauern meist 2 Tage, damit auch eine Nacht dazwischen liegt um bereits erlerntes auch gleich anwenden zu können. Wir gehen aber immer individuell vor, da Probleme von Betrieb zu Betrieb variieren. Es gibt Vorträge und Gruppengespräche, ganz essentiell sind aber die Berichte der Teilnehmer. Ihre Erfahrungen mit Schlafproblemen und eventuell entwickelte Lösungen mit anderen Kollegen zu teilen ist sehr wichtig.

Dr. Brigitte Holzinger

Dr. Brigitte Holzinger ist Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung, Schlafcoach und Vorstandsmitglied der ASRA.

Daneben versuchen wir unser Schlafwissen zu vermitteln machen Übungen zur Tiefenentspannung bis hin zur Hypnose. Ziel ist die Verbesserung des Schlafes und vor allem sollen die Teilnehmer wieder besser einschlafen können.

Wie gut ist der Wissensstand zum Thema Schlaf beim Coachingbeginn?

Sehr ausbaufähig. Die meisten kommen zum Schlafcoaching mit nur sehr wenig Wissen. Es wird auch allgemein sehr wenig informiert, das erklärt auch die hohe Nachfrage nach unseren Seminaren.

Welche Probleme kamen dabei ans Tageslicht?

Wir erheben die Probleme mit Hilfe des PSQI – dem Pittsburgh Schlafqualitätsindex. Über 70% der Arbeitnehmer haben einen Wert über 5, dies bedeutet, dass sie bereits eine mindere Schlafqualität und damit ein Schlafproblem haben. Mehr als 18% der befragten Schichtarbeiter erreichten einen Wert über 10. Da spricht man von sehr schlechtem Schlaf. Wir raten hier zu einer genaueren Abklärung in einem Schlaflabor. 68,6% berichteten über negative Effekte, resultierend aus ihrer Schichtarbeit (meist physische oder psychische Beeinträchtigungen).

Wie kann man durch Schlafcoaching aktiv diese diversen Schlafprobleme bekämpfen?

In unseren Seminaren lernt man, wie man den eigenen Schlaf wieder verbessern kann. Es hilft ja bereits, im Zuge der Schlafedukation mehr über das Thema Schlaf und die innere Uhr zu wissen. Was genau am Verhalten geändert werden muss ist sehr individuell. Bei manchen hilft geregelter Ablauf vor dem Schlafengehen, bei anderen muss die Schlafhygiene geändert werden. Ich bin manchmal überrascht, dass Personen nicht wissen, dass ein Kaffee kurz vor dem Einschlafen hinderlich ist.

Was waren die Auswirkungen der Teilnehmer? Haben Sie Feedback erhalten?

Wir erhalten laufend sehr positives Feedback von unseren TeilnehmerInnen. 6 Monate nach der ersten Befragung wurde von einigen ein Posttest ausgefüllt. Die Verbesserungen waren hochsignifikant. Besonders in Bezug auf Tagesmüdigkeit und Schlafqualität gibt es sehr positive Effekte. Die genauen Ergebnisse werden in wenigen Wochen präsentiert.

Wie komme ich als Schichtarbeiter zu einem Schlafcoaching?

Man kann das Coaching als Einzelperson anfragen. Es macht aber natürlich Sinn, einmal mit den Kollegen oder dem Schichtleiter zu sprechen, denn oft haben die anderen Mitarbeiter ja die gleichen Probleme. Ein Seminar in der Gruppe ist zudem unterstützend, denn man erfährt von Ideen und Lösungen von anderen Arbeitern. Mit Schlafproblemen ist man nämlich nie alleine.

Mehr Informationen finden Sie auf www.schlafcoaching.org

Das neue Buch von Dr. Brigitte Holzinger und Gerhard Klösch „Schlafstörungen: Psychologische Beratung und Schlafcoaching“ ist im Springer-Verlag erschienen.

Interessenten zum Zertifikatskurs „Schlafcoaching“ an der MUW finden hier weitere Informationen: www.meduniwien.ac.at/zk-schlafcoaching

Autor: Bernhard Kröll
Bilder:Pixabay | ZVG


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